„Die Letzten werden die Ersten sein“?
Der Mensch zwischen Wettbewerb und Kooperation
Eine Vortragsreihe fand zu diesem Thema findet im Jahre 2010 in der
Alten Dorfkirche Zehlendorf statt.
Eine Einführung in die Reihe finden Sie hier.
|
|
-
Der erste Vortrag fand am 17.3.2010 statt:
Friederike Spiecker, Diplom-Volkswirtin und Journalistin, Schwäbisch Gmünd, sprach über
Ursachen und Folgen von Wettbewerb in der Ökonomie.
Während die Finanz- und Wirtschaftskrise abzuklingen scheint und sich Ökonomen und Regierungen
weithin optimistisch äußern über die konjunkturelle Erholung, hat sich das Misstrauen
der Bürgerinnen und Bürger in das Marktwirtschaftliche System keineswegs gelegt.
Ein Grundmechanismus der Marktwirtschaft ist der Wettbewerb.
In Zeiten des Wachstums zeigt er die glänzende Seite des technischen Fortschritts.
Doch in Krisenzeiten tritt -vor allem am Arbeitsmarkt - seine Kehrseite hervor:
das brutale "Jeder gegen jeden".
Ist der Preis, den einzelne, negativ Betroffene und die Gesellschaft insgesamt für die Früchte des Wettbewerbs
zu zahlen haben, zu hoch? Haben wir wirklich verstanden, worin Wettbewerb in einer sozialen Marktwirtschaft
besteht? Und worin seine Grenzen liegen? Unter welchen Bedingungen kann Wettbewerb zu sozial verträglichen
Ergebnissen führen und zu solchen, die die Umwelt langfristig schützen?
Oder brauchen wir Alternativen zum Wettbewerbsmotor der Wirtschaft?
Den Vortragstext finden Sie hier.
- Der zweite Vortrag fand am 14.4.2010 statt:
Was sagt die genetische Forschung über konkurrentes und kooperatives Handeln des Menschen?
von Prof. Dr. Jens G. Reich, Max-Delbrück-Centrum für molekulare Medizin, Berlin-Buch.
Leben ist brutal - das weiß jeder. Britische Filmemacher haben riesigen Erfolg mit Filmen,
in denen sie zeigen, wie Löwen sich nach wilder Jagd ein Gnu verbeißen und es "reißen",
um anschließend ihren Nachwuchs mit dem Fleisch zu ernähren. Hyänen kommen als Rudel vorbei
und schnappen sich die Hälfte der Beute. Die Löwin ist nur in Ausnahmefällen flink genug,
eine konkurrierende Hyäne mit der Pranke zu erschlagen -
während der Rest der Meute sich über die Beute hermacht.
Leben bringt auch wunderbare Beispiele von Kooperation hervor, von Handlungen,
die nicht dem einzelnen lebenden Wesen, sondern seiner Gemeinschaft, seiner Art dienen.
Ameisen- und Bienenstaaten sind solche Beispiele koordinierter Kooperation -
aber es sind auch Sklavenstaaten.
All diese typischen Verhaltensweisen im Tierreich sind irgendwie vererbt.
Sonst wären sie nicht stabil von Generation zu Generation.
Weitergabe von Erfahrung mag eine Rolle spielen; aber es ist zu offensichtlich,
dass die Termiten etwa neurogenetisch kodiert sind, als dass man kulturelle
Vererbung und Instruktion ernsthaft ins Feld führen könnte.
Wie steht es nun mit dem Menschen? Er gehört der Evolutionslinie der Primaten an,
ist ein biologisches Wesen, ist ein Tier. Er ist aber auch mehr als das,
indem er eine alles überwölbende Kultur ausgebildet hat. Welche Rolle spielen genetische Faktoren
bei Konkurrenz und Kooperation von menschlichen Gesellschaften?
Über diese Fragen lohnt es zu debattieren, wenn wir Konkurrenz und Kooperation
nicht nur als ethische Faktoren in der Gesellschaft analysieren,
sondern auch ihre biologisch kodierten Wurzeln verstehen wollen.
- Der dritte Vortrag fand am 19.5.2010 statt:
Wettbewerb in der Marktwirtschaft aus der Perspektive theologischer Ethik
von Prof. Dr. Johannes Hoffmann, katholischer Sozialethiker, Frankfurt am Main.
Johannes Hoffmann war von 1976 bis 2002 Professor für Moraltheologie, Sozialethik und Wirtschaftsethik
am Fachbereich Katholische Theologie der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt/M;
er hat sich intensiv und in verschiedenen Positionen mit ethischem Investment beschäftigt,
seit 1999 Mitglied des Vorstandes des Wissenschaftlichen Beirates der oekom research AG in München;
von 2000 bis 2007 Vorsitzender und seit 2007 Ehrenvorsitzender des Vereins für ethisch orientierte Investoren (CRIC e.V.);
Mitglied des Umweltrates der Umweltbank seit 1997 (von 2003 bis 2007 Vorsitzender);
Mitglied in ethischen Anlagebeiräten von zwei österreichischen und zwei deutschen Banken, sowie Ordensgemeinschaften.
Den Vortragstext finden Sie hier.
- Der vierte Vortrag fand am 9.6.2010 statt:
Zur Kritik des Wettbewerbsdenkens (speziell in der Erziehung)
von Dr. Michael Jäger, Politologe und Journalist aus Berlin.
Der Vortrag geht vom einem Buch des US-amerikanischen Pädagogen Alfie Kohn aus und stellt es vor:
The Case Against Competition, "Warum Kooperation der Konkurrenz überlegen ist" (1986).
Es handelt sich um eine Art Forschungsbericht, bei dessen Lektüre man verblüfft feststellt,
daß viele Sozialwissenschaftler der USA schon seit den 1950er Jahren eine Fülle empirischer Untersuchungen
vorgelegt haben, die den im deutschen Titel angesprochenen Sachverhalt belegen wollen.
Nicht wenige auch in Europa bekannte Namen sind darunter:
Karen Horney, Margaret Mead, Riesman, Etzoni und andere.
Kohn zieht Material aus vielen Bereichen heran:
Sozialpsychologie, Soziologie, Psychoanalyse, Erziehungswissenschaften, Freizeitstudien, Evolutionsbiologie,
Kulturanthropologie, Philosophie und Literatur.
Er weiß auch, daß die Wettbewerbshaltung in der kapitalistischen Produktionsweise wurzelt.
Über das hinaus, was er selbst erfaßt, zeigt sein Bericht kulturelle Unterschiede zwischen
den USA und Europa gerade im Verständnis von Wettbewerb, die noch heute wirksam sind,
wenngleich die Lektüre auch bestätigt, daß heute an ihrer Schleifung gearbeitet wird.
Der Vortrag wird sich mit Kohns Grundthese auseinandersetzen: daß Kooperation gelernt werden kann
und daß auch Konkurrenz nur erlernt ist, wobei dies letztere Lernen nicht sein müßte;
daß daher zuletzt die "Normen" darüber entscheiden, ob eine Gesellschaft sich dem einen
oder dem anderen zuwendet.
Den Vortragstext finden Sie hier.
- Nach der Sommerpause fand am 8.9.2010 der fünfte Vortrag statt:
Biblische Überlieferungen über Konkurrenz und Kooperation
von Dr. Dietrich Schirmer, evangelischer Theologe aus Berlin.
Die Bibel des Alten und Neuen Testaments überliefert uns eine Vielzahl von Texten,
in denen von Konkurrenz die Rede ist, aber auch von Hinweisen, wie ihr zu begegnen ist.
Es sind z.T. Texte von großer Wucht, und es lohnt sich, die darin festgehaltenen Erfahrungen
einmal genauer zur Kenntnis zu nehmen. Manche davon werden nicht oft gepredigt
und sind deshalb kaum in das Bewusstsein der Gottesdienstbesucher gedrungen.
Was haben diese Texte uns heute zu sagen in einer Zeit, in der "Wettbewerb" als ein Schlüsselbegriff
für den Erfolg auf allen Gebieten gepriesen wird? Soll man sich ihm, kann man sich ihm entziehen
und was an seine Stelle setzen?
Nach Möglichkeit wollen wir Erkenntnisse aus den vorangegangenen Vorträgen
in diesem 2. Teil der Vortragsreihe mit verarbeiten.
Wir denken: Es geht um existentielle Fragen, die wir in dieser Veranstaltung gerne mit
Ihnen diskutieren möchten.
Den Vortragstext finden Sie hier.
- Am 6.10.2010 folgte der sechste Vortrag:
Jüdische Überlieferung und wirtschaftlicher Wettbewerb
von Prof. Dr. Andreas Nachama.
Der Referent ist Rabbiner der Synagogengemeinde Hüttenweg, Professor am
Lander Institute for Communication about the Holocaust and Tolerance am Touro College Berlin/New York
und geschäftsführender Direktor der Stiftung Topographie des Terrors.
Den Vortragstext finden Sie hier.
- Am 3.11.2010 folgte dann der siebte Vortrag:
Wettbewerb im Koran und jüngeren islamischen Quellen
von Dr. Raplf Ghadbhan.
Der Referent ist ein deutscher Islamwissenschaftler und Publizist.
Er beschäftigt sich mit Migrationsforschung, schwerpunktmäßig mit dem Islam in Europa.
Den Vortragstext finden Sie hier.
- Die Reihe wurde am 1.12.2010 abgeschlossen durch den achten Vortrag:
Die Haltung des Buddhismus zum Wettbewerb
von Franz-Johannes Litsch
von der Bhuddistischen Akademie Berlin.
Einen Text von Herrn Litsch mit dem Titel
"Achtsamkeit und Verbundenheit -
Was kann der Buddhismus zu einer sozial und ökologisch zukunftsfähigen Kultur beitragen?"
finden Sie hier.